Ist das Geschichte oder kann das weg?

Forschungsprojekte zu Kriegerdenkmalen in Münster

Ist das Geschichte oder kann das weg? –

Marienschülerinnen forschen zu Kriegerdenkmalen in Münster

 

Viele, die täglich mit dem Fahrrad die Promenade entlangfahren, sehen sie auf den Grünflächen am Wegesrand stehen: Steinerne Kolosse aus einer längst vergangenen Zeit, stumme Zeugen – ja, von was eigentlich? Sicher ist, die Kriegerdenkmale aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts stehen für eine Erinnerungskultur, die nicht mehr unserem heutigen demokratischen, multiperspektivischen Verständnis entspricht: Heldenverehrung statt Opfergedenken. Aber welchen Beitrag können sie dennoch im Jahr 2021 zum kollektiven Geschichtsbewusstsein leisten? Verherrlichen sie den Krieg oder mahnen sie zum Frieden?

An der Marienschule Münster forschten in den vergangenen Monaten 25 Schülerinnen der Stufe Q2 im Zusatzkurs Geschichte inspiriert durch die Veröffentlichung „Kriegerdenkmale in Münster“ des Stadtarchivs zu diesem Thema. In der Unterrichtsreihe „Ist das Geschichte oder kann das weg?“ setzten sie sich ergebnisoffen, aber ohne Tabus mit den Fragen auseinander, wie künftig mit den Kriegerdenkmalen umgegangen werden kann und welche Argumente in der Debatte darüber zu berücksichtigen sind.

So beschäftigte sich eine der fünf Projektgruppen intensiv sich mit dem „Stehenden Soldaten“ im Schlossgarten. Dieses Kriegerdenkmal wurde 1923 eingeweiht, um die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges zu ehren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Bronzetafel angebracht, um so der gefallenen Helden beider Weltkriege zu gedenken.

Während ihrer Recherche forschten Solav, Paula, Freya, Stella und Judith in Materialsammlungen des Stadtarchivs und weiteren wissenschaftlichen Publikationen. Zudem sammelten sie in Münster O-Töne von Münsteraner*innern aus Geschichtsforschung, Denkmalpflege, Politik und Zivilgesellschaft, um so ein umfassendes Stimmungsbild erstellen zu können. Tenor: Der „Stehende Soldat“ ehrt nicht nur die gefallenen Soldaten als Helden, sondern verherrlicht den Krieg, ruft zur Fortsetzung des Kampfes auf und warnt, nicht zu „entarten“.

Wenn das Denkmal also demokratiefeindliche Signale sendet, kann man es als Ort der Erinnerungskultur nicht sich selbst überlassen. Was aber gilt es zu tun? Die Schülerinnen waren sich einig, dass ein Abriss nicht der richtige Umgang sein kann, da dies eine Form der Geschichts­löschung wäre, wie sie in totalitären Systemen vorkommt. Stattdessen müsse es gelingen, das Denkmal zu einem lebendigen Lernort zu machen, der unseren demokratischen Anforderungen an Erinnerungskultur entspricht.

Für die praktische Umsetzung dieser Vision schlagen die Marienschülerinnen zwei wesentliche Neuerungen vor: Erstens bedürfe es einer gut sichtbaren, großformatigen Informationstafel, die über den historischen Kontext der Entstehung und – im Sinne einer Mahntafel – die heutige Rezeption in all ihrer Kontroversität aufklärt. Zweitens sollten die Sandstein-Bänke der US-Amerikanerin Jenny Holzer, die 1987 als Ergebnis der kritischen künstlerischen Auseinandersetzung im Rahmen der Skulptur-Projekte aufgestellt wurden, restauriert und wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden, um der militaristischen Botschaft des „Stehenden Soldaten“ eine pazifistische Stimme entgegenzusetzen.

Während am Ende der Unterrichtsreihe, nach den Vorträgen vier weiterer Projektgruppen, weiterhin sehr kontroverse Positionen zum künftigen Umgang mit den Kriegerdenkmalen vertreten wurden, so bestand jedoch Einigkeit in einer grundsätzlichen Überzeugung: Wenn die Stadt Münster ihrem Anspruch als „Friedensstadt“ weiterhin gerecht werden will, reicht es nicht aus, wenn die Kontroverse um die Kriegerdenkmale alle Jahre wieder zum Volkstrauertag kurz aufflackert, um dann wieder zu erlöschen. Stattdessen bedarf es einer echten gesellschaftlichen Debatte, an deren Ende die obligatorische Infotafel nicht schon als „das höchste der Gefühle“ zu gelten hat, sondern die auch Raum lässt für unkonventionelle, kreative Alternativen wie Gegendenkmale oder künstlerische Umgestaltungen.

Judith Bautz (Q2)  und Christoph Frye