Kollegium drückt die Grundschulbank

Lehrerinnen und Lehrer der Marienschule hospitieren in Münsteraner Grundschulen

Jedes Jahr im August wiederholt sich – wie auch im Rest der Republik – in Münsters Innenstadt das immergleiche Schauspiel: Hunderte Schülerinnen und Schüler strömen nach einem Sommer der gemischten Gefühle mit leuchtenden Augen und gepackten neuen Ranzen voller Erwartungen an die weiterführenden Schulen. Aber weiß man dort eigentlich, wer da kommt? Ist bekannt, was die Kinder benötigen, und vor allem, was sie bereits mitbringen? „Wir wissen schon sehr viel, aber sicher noch längst nicht genug über die vielfältigen Erfahrungen, die unsere neuen Schülerinnen auf der Grundschule bereits sammeln durften“, erklärt Marlies Baar, Schulleiterin am Mädchengymnasium Marienschule.

Und so hat sich die Marienschule auf den Weg gemacht, einen Blick hinter die Kulissen der Münsteraner Grundschulen zu werfen und von diesen zu lernen, um die in der Grundschule erworbenen Stärken der Fünftklässlerinnen, die ja bereits auf mehrjährige Lernbiographien zurückblicken, auch am Gymnasium noch besser nutzen zu können und das Bemühen zu intensivieren, die aufregende Herausforderung des Schulwechsels für die Mädchen möglichst ohne Reibungen und Hürden zu gestalten.

Zum Auftakt am 15. September 2022 stimmte Christiane Kröger, Schulleiterin der Grundschule Wolbeck-Nord, die gebannt lauschenden Lehrerinnen und Lehrer der Marienschule mit einem Impulsvortrag zu „Methoden und Arbeitsformen im Primarbereich“ auf die spannende Reise, die nun vor ihnen liegt, ein. Dass mit der hier angestoßenen Kooperation beide Seiten Neuland betraten, brachte Kröger anerkennend zum Ausdruck, da sie die sehr stark individualisierte und kindorientierte Pädagogik der erst 2019 neu gegründeten Wolbecker Schule „zwar schon an vielen Grundschulen, aber heute zum ersten Mal an einem Gymnasium“ vorgestellt habe.

Genau eine Woche später, am 22. September, folgte der vorläufige Höhepunkt des Aufbruchs ins Ungewisse: Im Rahmen einer schulinternen Lehrerfortbildung schwärmte das gesamte Kollegium der Marienschule in Kleingruppen zu Hospitationen in über zwanzig Münsteraner Grundschulen aus, um dort von den Kolleginnen und Kollegen, vor allem aber von den Kindern selbst zu lernen. Und zu lernen gab es vieles, was auch unter den freilich veränderten Rahmenbedingungen am Gymnasium noch stärker einbezogen und nutzbar gemacht werden kann. Das trifft sicher auf die beobachteten selbstständigen und kooperativen Lernformen zu, das gilt vor allem aber auch für gemeinsame Rituale, geteilte Verantwortung für ein gelingendes Miteinander und eine wertschätzende Atmosphäre, in der Raum auch für die Würdigung von privaten Erlebnissen der Kinder bleibt.

Wie bereichernd das Kollegium der Marienschule diesen Vormittag wahrgenommen hat, zeigte der gemeinsame Erfahrungsaustausch nach der Rückkehr an die Hermannstraße. „Die Rückmeldungen der durch die Bank schwer beeindruckten Kolleginnen und Kollegen machen sehr deutlich, wie überfällig der Weg in die Grundschulen war“, so der stellvertretende Schulleiter Christoph Müller. Jetzt gehe es darum, diese Effekte nicht als einmalige Erweiterung des eigenen Horizonts verpuffen zu lassen, sondern unmittelbar im Anschluss daran gemeinsam zu überlegen, welche Konsequenzen für das pädagogische Handeln und die didaktische Arbeit daraus für die Zukunft des Lernens daraus erwachsen können – nicht nur, aber im Besonderen für die gymnasiale Erprobungsstufe.

Der Startschuss ist bereits erfolgt: Mit vielen der besuchten Grundschulen wurde vereinbart, die geknüpften Kontakte zu intensivieren und langfristig zu kooperieren, etwa im Rahmen wechselseitiger Unterrichtsbesuche. Zudem hat die Marienschule eine schulformübergreifende Fortbildungsreihe initiiert, die sich sowohl an das eigene Kollegium als auch an die Grundschullehrkräfte richtet. Zunächst sollen in vier bereits terminierten Veranstaltungen im Oktober und November dieses Jahres Chancen und Grenzen des Einsatzes digitaler Medien in den Klassenstufen 3 bis 6 in den Blick genommen werden.

Die eigentliche Arbeit beginnt also erst und doch darf man auch jetzt schon feststellen, dass die Marienschule sich auf den Weg gemacht und ihr Ziel fest im Blick hat, den Schulwechsel für ihre neuen Schülerinnen nicht nur bruchlos, sondern möglichst barrierefrei zu gestalten.

 

Text: Christoph Frye